Das Unbehagen im 19. Jahrhundert

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhundert – eine Zeit der forcierten Industrialisierung und Globalisierung – erscheint rückblickend als Phase extremer Verwerfungen: Lebensreformer sehen vorwiegend Krankheit und Degeneration, Ärzte diagnostizieren Neurasthenien, Politiker und Sozialreformer erkennen Verelendung und fürchten Aufstände, Eugeniker beschwören Entartung und Entwurzelung, Alldeutsche suchen Heil im Völkischen und radikalen Antisemitismus …

Dieses Unbehagen führt auch im Bereich des Ästhetischen zu großen Verunsicherungen:

Die Arts and Crafts-Bewegung in England träumt sich zurück in Mittelalter, schwärmt für die Gotik. Deutsche Künstler, Architekten, Kunstgewerbler und Kunstkritiker teilen diese Positionen oder schwärmen in Abgrenzung zum Historismus für das Biedermeier.

Biedermeier meint dabei eine von Zurückhaltung und Sachlichkeit geprägte bürgerliche Kunst, die in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts durch Reduktion, Einfachheit, natürliche Schönheit von Materialien und Klarheit der Formen überzeugen konnte. Materialgerechtigkeit und die schlichte Formen werden als Ausdruck einer sittlichen Haltung bewertet. Diese Position, kombiniert mit einer Bejahung des technischen Fortschritts vertritt auch der 1907 gegründete Deutsche Werkbund und allen voran Hermann Muthesius. Mit seiner Kritik an dem parvenuehaften Verhalten des Bürgertums im Kaiserreich schuf er sich zahlreiche Gegner. Der idealisierte gute Geschmack, britisches Understatement und eine Kultur der „Sachlichkeit“ waren die Forderungen der voanblickenden Kulturreformer.

In diesem Seminar werden die wichtigsten Entwicklungen des 19. Jahrhunderts bis zur Gründung des Deutschen Werkbundes am Anfang des 20. Jahrhunderts behandelt.

(In diesem Text wird bewusst das generische Maskulinum verwendet.)

Vorrangig für ID und KoDe, bei freien Plätzen offen für andere Studiengänge.

Informationen zur Anmeldung / Workspace folgt.